Die Essstörung Binge Eating gehört zu den heimlichen Leiden unserer Gesellschaft. Nach den Essattacken schämen sich Betroffene und fühlen sich schuldig. Menschen, die unter einer Binge Eating Störung leiden, verlieren die Kontrolle über ihr Essverhalten.
Wie bei der Bulimie äußert sich Binge Eating durch wiederholte Heißhungerattacken und Fressanfälle, allerdings ohne anschließendes Erbrechen oder den Missbrauch von Abführmitteln. Der Kontrollverlust während der Fressanfälle und die anschließenden Schuldgefühle sind ebenso typisch. Die Fressanfälle werden oft durch persönliche Stresssituationen ausgelöst.
Wie wirkt sich diese Essstörung auf die Gesundheit aus? Welche Therapiemaßnahmen können ergriffen werden? Und welche Ursachen stecken hinter diesem Leiden? Wir haben recherchiert und informieren nachfolgend über sämtliche wissenswerte Details rund um die Essstörung.
Was ist Binge Eating? – Definition
Der Begriff Binge Eating disorder stammt aus dem Englischen, wobei Binge auf Deutsch mit „Gelage“ übersetzt werden kann. Hierbei handelt es sich um eine Essstörung, bei welcher betroffene unter periodischen Heißhungeranfällen leiden. Während dieser Fressanfälle verlieren sie die Kontrolle über das eigene Essverhalten.
Nach WHO ICD-10 wird die Binge Eating Störung nach F50.4 (Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen) und F50.8 (Sonstigen Essstörungen) klassifiziert. Die BES war lange Zeit umstritten, allerdings wurden die Kriterien im Laufe der Zeit von Ernährungswissenschaftlern und Medizinern akzeptiert.
Ursachen – Wie entsteht Binge Eating?
Für die Ursachen der BES gibt es bisher noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Experten vermuten, dass unterschiedliche Ursachen sowie ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren eine Rolle spielen. Hierzu kann zum Beispiel ein überzogenes Schönheitsideal gehören.
Risikofaktoren
Für die Erkrankung an der Binge Eating Disorder gibt es einige Risikofaktoren. Sollte es in der Kindheit bereits zu Übergewicht gekommen sein, besteht im späteren Leben ein erhöhtes Risiko, an dieser Essstörung zu erkranken. Zu den weiteren Risikofaktoren gehören wiederholte Gewichtsschwankungen im Rahmen von Diäten. Von großer Bedeutung scheint demnach die eigene Einstellung zur Figur zu sein. Menschen, die mit dem eigenen Aussehen unzufrieden sind und immer wieder fasten, um ihr Idealgewicht zu erreichen, können von den Heißhungerattacken betroffen sein.
In der Regel wird bei der BES mit Essen kompensiert. Betroffene leiden unter einem negativen Selbstbild und bewerten Gewicht sowie Figur zu stark. Dies nagt am Selbstwertgefühl. Weitere Risikofaktoren sind Impulsivität: Betroffene handeln schnell, unüberlegt und denken nicht über mögliche Konsequenzen nach. Negative Emotionen wie Ärger, Wut, Trauer, Langeweile, Angst oder Stress können ebenfalls zu Fressattacken führen. Viele Betroffene können mit diesen negativen Gefühlen nicht umgehen.
Zusätzliche Risikofaktoren für die Binge Eating Essstörung sind Depressionen, Suchterkrankungen, Angst- oder Persönlichkeitsstörungen. Aber auch Missbrauch, Gewalt oder Trennungserlebnisse können zu einer derartigen Essstörung führen. Da BES in Familien vermehrt auftritt, kann eine Erkrankung ebenfalls genetisch bedingt sein.
Wie viele Menschen leiden unter Binge Eating?
Nach aktuellen Schätzungen sind rund drei Prozent der Bevölkerung von der Binge Eating Disorder betroffen.
Von 100 Menschen, welche wegen Übergewicht abnehmen wollen und aus diesem Grund einen Arzt aufsuchen, sind etwa 15 bis 30 Patienten von dieser Essstörung betroffen.
Symptome und Anzeichen einer Binge Eating Störung
Die Symptome für eine BES Diagnose wurden gemäß ICD10 wie folgt klassifiziert:
- Betroffene leiden unter regelmäßigen Essattacken, die bestimmte Merkmale vorweisen:
- Es wird eine deutlich größere Menge an Lebensmitteln in einem abgegrenzten Zeitraum verzehrt, als andere Menschen im gleichen Zeitraum zu sich nehmen würden.
- Betroffene verlieren während der Essattacken die Kontrolle über das Essen. Sie haben das Gefühl, mit dem Essen nicht mehr aufhören zu können und können die Menge der Nahrungsaufnahme nicht steuern.
- Die Fressattacken treten durchschnittlich über einen Zeitraum von 6 Monaten mindestens zweimal wöchentlich auf und haben mindestens 3 der folgenden Merkmale:
- Die Nahrungsaufnahme erfolgt schneller als normal
- Es kommt zu einem unangenehmen Völlegefühl
- Trotz fehlenden Hungergefühls werden große Mengen Nahrung aufgenommen
- Die Nahrungsaufnahme erfolgt aus Scham allein
- Betroffene ekeln sich vor sich selbst, sind deprimiert und/oder haben große Schuldgefühle nach einer Essattacke
- Im Zusammenhang mit Fressattacken besteht ein hoher Leidensdruck
- Essanfälle stehen nicht im Zusammenhang mit der Anwendung von gegensteuernden Maßnahmen wie Abführmittel oder exzessiver Sport und treten nicht zusammen mit einer Bulimia nervosa oder einer Anorexia nervosa auf.
- Viele Betroffene leiden an Übergewicht oder Adipositas
Binge Eating Test
Sollten Sie die Befürchtung haben, an einer Binge Eating Disorder zu leiden, können Sie im Internet einen Selbsttest vornehmen. Unsere Recherchen haben gezeigt, dass es einige Webseiten im World Wide Web gibt, die derartige Tests anbieten. In der Regel gibt es Denk- und Handlungsmuster, welche auf viele Betroffene zutreffen. Die Testergebnisse sind allerdings nicht wissenschaftlich belegt und können auch keine ärztliche Diagnose ersetzen. Aus diesem Grund sollte unbedingt der behandelnde Arzt aufgesucht werden, falls der Verdacht auf ein BES besteht.
Erfahrungen mit Binge-Eating
Die Binge-Eating-Störung (BES) ist die häufigste Essstörung bei Erwachsenen. Die Sendung Volle Kanne von ZDF hat über Heike Richter Erfahrungen mit Binge Eating berichtet und zeigt, wie sie den Weg aus der Essstörung schafft.
https://www.youtube.com/watch?v=P5l4kIA-9rM
Binge Eating Folgen
Eine unbehandelte Binge Eating Störung kann zu schweren gesundheitlichen Problemen führen. Etwa 40 Prozent der Betroffenen sind stark übergewichtig. Mit einem Body-Mass-Index von über 30 gelten Menschen als adipös. Starkes Übergewicht beeinträchtigt zunächst das Herz-Kreislauf-System. Hieraus resultieren in der Regel die folgenden Störungen:
- Bluthochdruck
- Erhöhte Blutfettwerte
- Arteriosklerose
- Erhöhte Gefahr von Herzinfarkt oder Schlafanfall
- Atem- und Schlafstörungen
Eine weitere mögliche Folge von Übergewicht kann eine Herzschwäche sein. Betroffene sind leistungsschwach und werden kurzatmig. Darüber hinaus kann es zu Wassereinlagerungen im Gewebe kommen. Häufig wird auch von Diabetes im Zusammenhang von Adipositas berichtet. Übergewicht belastet zudem die Gelenke und die Wirbelsäule. Insbesondere die Knie- und Hüftgelenke sowie die Bandscheiben können dadurch geschädigt werden.
Psychische Folgen bei BES
Menschen, die an einer Binge Eating Störung leiden, haben häufig ein geringes Selbstwertgefühl und schämen sich für Essverhalten sowie Gewicht. Betroffene ziehen sich zurück und pflegen keinerlei soziale Kontakte.
Zu den häufigsten psychischen Begleiterkrankungen bei einer Binge Eating Disorder gehören affektive Störungen. Hiervon sind etwa 20 bis 30 Prozent der Erkrankten betroffen. Stimmung und Antrieb sind beeinträchtigt, wodurch es zu Depressionen, Manien oder bipolaren Störungen kommen kann.
Darüber hinaus klagen rund 20 Prozent der Betroffenen über eine Angststörung. Hierzu gehören zum Beispiel Phobien oder Panikstörungen. Etwa 10 Prozent der Menschen, die unter einer Binge Eating Störung leiden, sind stubstanzabhängig, wie zum Beispiel die Alkoholsucht.
Behandlung und Therapie – Was tun bei Binge Eating Störung?
Wird eine Binge Eating Disorder vom behandelnden Arzt festgestellt, sollte eine geeignete Therapie durchgeführt werden. Eine Behandlung gegen BES setzt sich in der Regel aus verschiedenen Komponenten zusammen.
Zunächst sollten sich Betroffene in eine Psychotherapie begeben, um das Auftauchen der Essanfälle zu beobachten. Hierbei geht es darum zu bemerken, welche Mengen an Nahrungsmitteln zu sich genommen werden und welche Gefühle die Betroffenen dabei begleiten. Es wird analysiert, in welchen Lebenssituationen es zu Essattacken kommt. Erkrankte erkennen zusammen mit dem Therapeuten wiederkehrende Muster und können im nächsten Schritt Strategien entwickeln, um den Fressanfällen entgegen zu wirken.
Mit einer Ernährungsberatung erlernen Betroffene, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. In der Regel findet eine Behandlung ambulant statt. Ein stationärer Aufenthalt kann ebenfalls in Frage kommen, wenn die psychische Störung sowie die Essattacken stark ausgeprägt sind und der Leidensdruck zu hoch ist.
Je früher eine Binge Eating Störung behandelt wird, umso geringer ist das Risiko eines Rückfalls. Jeder Rückfall kann dafür sorgen, dass die Störung chronisch wird. In diesem Fall kann eine Behandlung bis zu 14 Jahre dauern. Mit Selbsthilfegruppen, Therapeuten oder Beratungsstellen besteht bei einer Binge Eating Disorder eine gute Chance auf Heilung.
Selbsthilfe und Binge Eating Forum
Mit Selbsthilfegruppen oder in den öffentlichen Binge Eating Foren haben Betroffene zudem die Möglichkeit, sich mit anderen Erkrankten auszutauschen. Dies hat den Vorteil, dass sich die Betroffenen nicht mehr alleine fühlen und soziale Kontakte pflegen. Selbsthilfe in einem Binge Eating Forum kann der erste Weg aus dem Teufelskreis sein.
Häufige Fragen zu Binge Eating
Wir haben nachfolgend die häufigsten Leserfragen zur Binge Eating Disorder zusammengefasst und beantwortet. Selbstverständlich können Sie uns jederzeit weitere Fragen auch anonym per Email zukommen lassen. Wir werden diese gerne für Sie beantworten.
Binge Eating Unterschied zu Bulimie?
Zwischen einer Bulimie und einer Binge Eating Essstörung gibt es einige Unterschiede. Zunächst ergreifen Binge Eating Betroffene in der Regel keine Gegenmaßnahmen, um die aufgenommenen Kalorien wieder loszuwerden. Bulimie Patienten erbrechen regelmäßig, nehmen Abführmüttel oder betreiben exzessiven Sport.
Welche Anzeichen bei Fressattacken sind typisch?
Die Binge Eating Essstörung geht mit typischen Anzeichen einher. Hierzu gehören:
- Mindestens ein Essanfall pro Woche über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten
- Keine Kompensation
- Kontrollverlust und Verzehr von großen Mengen Nahrung
- Hastiges Essen
- Starkes Völlegefühl
- Allein Essen
- Essen ohne Hunger
- Nach der Fressattacke: Ekel über sich selbst, Scham und/oder Depression
Wer ist von Binge Eating häufig betroffen?
In der Regel sind übergewichtige Menschen mit einem Body Mass Index über 30 von der Binge Eating Essstörung betroffen.